ich liebe freiheit
– die andere nicht einschränktich liebe demokratie
– die real funktionierendeich liebe offenheit
– die verbindet
Prolog
es war einmal ein Land, in dem jedes Gespräch, jede Meinungsäußerung, jede Kritik an den Mächtigen das Ende der materiellen, seelischen oder körperlichen Unversehrtheit bedeuten konnte. Öffentliche Versammlungen, öffentlicher Diskurs war reglementiert und zensiert. Selbst die eigenen vier Wände boten keinen Schutz, jedes Telefon war auch eine Wanze, die von den Lakaien des Staatsapparats jederzeit aktiviert werden konnte.
POSTULIERTES FUNDAMENT
Freiheit
In dem Land, in dem heute eine Gruppe namens RASF aktiv ist, herrschen im Vergleich dazu paradiesische Zustände: Das Gesetz garantiert allen Bürger*innen den Schutz der freien Rede, die Versammlungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Post- und Fernmeldegeheimnis. Die Presse ist grundsätzlich frei.
Kein Paradies ist perfekt; laufend werden diese Rechte bedroht und durchlöchert, nicht alle Menschen haben die Möglichkeit, sie in gleichem Umfang einzufordern – aber grundsätzlich bestehen sie.
Demokratie
In dem Land, in dem heute eine Gruppe namens RASF aktiv ist, geht alle Macht vom Volke aus. Es delegiert diese an gewählte Vertreter als Legislative und oberste Instanz der Exekutive, eine unabhängige Justiz soll die Gleichheit aller sicherstellen und Verstöße gegen gesellschaftliche Grundlagen ahnden.
Dieses Gebilde ist ebenso fragil wie die Freiheit. Macht lädt ein zu Missbrauch, Korruption, Vetternwirtschaft. Vertreten die Vertreter*innen wirklich die Interessen des Volkes? Geht es gerecht zu? Es ist leicht, die Demokratie zu kritisieren, aber kaum eine real existierende Alternative hat relevante Zeiträume der Neuzeit bisher überlebt.
Kapitalismus
In dem Land, in dem heute eine Gruppe namens RASF aktiv ist, herrscht Kapitalismus in einer Variante mit Kompromissen und Regeln, deren Grundideen auf Gerechtigkeit und Ausgleich ausgerichtet sind, genannt soziale Marktwirtschaft.
Kapitalistische Unternehmen sind selten demokratisch, sondern eher diktatorisch organisiert. Und das ist gut so – so funktionieren sie, so wird die Zusammenarbeit vieler Menschen in eine Richtung kanalisiert. Das Streben nach Profit fördert Entwicklung und Innovation, Wettbewerb treibt zu Leistung und Verbesserung an.
Auch diese Kapitalismusform zeigt immer wieder ihre böse Fratze der Ausbeutung, des Missbrauchs, der Gier. Auch sie muss also laufend hinterfragt, kritisiert, reguliert werden. Aber in der Neuzeit haben sich auch grundsätzlich andere Wirtschaftsformen bisher nicht langfristig durchgesetzt, der Siegeszug des Kapitalismus ist derzeit nahezu global.
Kommunikation
In dem Land, in dem heute eine Gruppe namens RASF aktiv ist, haben sich viele Menschen dazu entschlossen, ihre persönliche Kommunikation in Facebook-Nachrichten, Google-Emails oder Whatsapp-Chats zu verlagern. Wesentliche Teile des ehemals öffentlichen und privaten Diskurses finden nicht mehr auf der Straße oder im geschützten Raum der Wohnung statt, sondern auf Twitter oder bei Reddit.
Smartphone Nutzer*innen reichern ihre Kommunikation weiter an: ein Schildchen mit Ortsinformation klebt an den meisten Fotos wie an vielen Nachrichten, manche Anbieter verlangen, dass jedes Zugangskonto mit einer Telefonnummer verknüpft wird, Körperoptimierer*innen liefern dazu noch alles, zur Errechnung des werten Befindens taugt: Herzfrequenz, Leitfähigkeit der Haut, Bewegungsvektoren – gemessen von schick daherkommenden, als Uhren oder Armbändchen verpackten Sensorpäckchen.
GEBÄUDE
Freiwilliger Umzug in die Diktatur
Durch dieses Kommunikationsverhalten wird der Austausch zwischen Menschen verlagert von geschützten Räumen der realen Welt in virtuelle Räume von Unternehmen, die nicht in erster Linie den Menschen verpflichtet sind, die ihre Dienste nutzen, sondern ihren Eigentümern. Und es wird nicht nur die nackte oder bekleidete Information übertragen, sondern vielfältige Zusatzinformation, die teilweise mehr Wert hat, als der Un- oder Nutzinhalt.
Kommunikation findet so nicht mehr auf neutralem Grund statt, auf dem allen Beteiligten gleiche Rechte zustehen, sondern in virtuellen Malls, deren Betreiber*in Obdachlose jederzeit vor die Tür setzen, Unliebsames wegschaffen, alle Aktivitäten überwachen und reglementieren kann: Horden bemitleidenswerter Menschen verdingen in Niedriglohnländern ihren Lebensunterhalt damit, auszusortieren, was wir tatsächlich oder vermeintlich nicht sehen, hören oder lesen wollen. Einen Teil der Bewertungs- und Löscharbeit aber übernehmen bereits jetzt künstliche Intelligenzen – meist künstliche neuronale Netze, Algorithmen, denen es egal ist, ob man sie auf das Erkennen von Penissen oder Parteikritik trainiert.
So nachvollziehbar der Wunsch ist, keinen Dreck sehen zu müssen, so wahr ist aber leider, dass Zensur immer Zensur bleibt und eine Bewertungs- und Löschungsinfrastuktur immer die Werte befolgt, die ihr vorgegeben sind – welche auch immer.
Wer kontrolliert also die Besitzer der Malls mit Wohlfühl-Raumduft, die für uns schonmal raussuchen, was uns wohl am meisten interessiert und uns den Abschaum vom Leib halten – wer garantiert, dass die Unternehmen nur Gutes tun, denen wir die Pflege und Wartung unserer Arschtaschencomputer anvertrauen und die uns stets zeigen, wie wir möglichst schnell, einfachst und vermeintlich glücklichst möglich ans Ziel gelangen?
Können wir ihnen trauen? Wissen wir überhaupt, was sie über uns wissen? Wollen wir eigentlich zulassen, was sie bereits von sich aus freimütig als ihre Geschäftspraxis dokumentieren?
Google ließt alle Emails auf gmail, Facebook scannt Chats und verfolgt alle unsere Surf-Aktivitäten, wo auch immer ein Daumen hoch zu sehen ist, Skype scannt Chats ebenso und will auch bei Gesprächen automatisiert mithören. Google weiß, was wir denken, indem sie unser Suchverhalten verstehen. Apple sagt uns schon den besten Weg zum Ziel, bevor wir überhaupt danach gefragt haben. Diese Liste ließe sich ewig fortführen aber das scheint mittlerweile müßig, weil viele Menschen es nicht mehr anstößig zu finden scheinen, dass alles, was wir sagen, denken und tun, wie und wohin wir uns bewegen, ob wir entspannt oder geil sind, erfasst, gespeichert, ausgewertet, interpretiert und genutzt wird.
Nicht nur ist jedes Smartphone potentiell die moderne, schicke Version eines grauen DDR Plaste-Telefons mit fernschaltbarer Sprechmuschel, auch ganz dezidiert holen sich Menschen eine stets zuhörende und außerordentlich hilfsbereite Alexa in die gute Stube.
Indem wir unsere Kommunikation, unseren Alltag, unsere Körperdaten, unseren Seelenzustand Internet-Konzernen anvertrauen, vertrauen wir ihnen alles an, was wir sind. Da Unternehmen viel eher gewinnorientierten Diktaturen als demokratischen Staaten gleichen, bedeutet dies in der Konsequenz nichts weniger, als freiwillig in eine Diktatur umzusiedeln.
Willkommen in Nordkorea.
Unfreiheit entstanden aus Freiheit
Das Internet entstand als ein lockerer Zusammenschluss von Netzwerken auf einer einfachen technischen Basis mit deutlich weniger gegenseitigen Zusicherungen als bei anderen frühen Datennetzen. Alles war dezentral organisiert, das World Wide Web bestand aus unorganisierten einzelnen Sites und Verknüpfungen untereinander. Für Briefe gab es Email, für öffentliche Diskussionen Newsgroups, für Chats IRC – alles basierend auf freien Protokollen, für deren Nutzung jeweils eine große Auswahl an Software bereitstand – meist ebenso frei, offen und kostenlos.
Aus dieser Freiheit heraus sind gigantische Firmen erwachsen, die heute diejenigen Dienste erbringen, an die Menschen denken, wenn sie von „dem Internet“ sprechen. Die Revolution frisst ihre Kinder: Das Geschäftsmodell der großen Internetkonzerne basiert auf dem Modell der „economics of scale“: Je mehr Nutzer*innen ein Dienst hat, desto geringer werden die Kosten je Einheit und desto höher der Wert der Daten je Einheit. Das funktioniert nur, indem möglichst viele Menschen möglichst wenige Dienste nutzen, die von wenigen beherrscht werden. Es entstehen Monopole, De-Fakto Monopole, Ogliopole, Zentralismus.
Und diese Dienste funktionieren großartig! Nutzbarkeit und Verfügbarkeit vieler der erfolgreichen Internet-Dienste sind fantastisch, Technologie und Qualität sind oft erstaunlich. Also besteht immer weniger Grund, das System in Frage zu stellen. Alles ergonomisch, alles effizient, alles schnell, alles super.
Nur: unfrei, undemokratisch, geschlossen.
Eine Visönchen
Das Internet ist entstanden auf Basis freier, offener Protokolle. Und es gibt sie nach wie vor, zuhauf: XMPP und OTR zum Chatten, VoIP/SIP zum Telefonieren, OpenID für dezentrale Identitätsverwaltung – noch eine Liste, die seitenweise weiterginge und noch viele weitaus bekanntere Beispiele enthielte.
Warum also kann ich mit keiner freien, quelloffenen Software mit WhatsApp Nutzer*innen kommunizieren, wenn ich selbst kein Konto ausgerechnet bei dem Unternehmen einrichten möchte, das in den ersten Jahren seines Bestehens unrühmliche Bekanntheit für die eklatantest denkbaren Sicherheitslücken seines einzigen relevanten Produkts erlangte?
Warum kann ich bei Facebook keine RSS Feeds mehr abonnieren, um mit freier Software Inhalte von Personen zu verfolgen, die mich interessieren?
Warum also gibt es für viele Anwendungen keine ernsthaft freie Auswahl mehr zwischen vielen, dezentral organisierten, miteinander konkurrierenden aber dennoch kooperierenden Anbietern auf einer gemeinsamen technischen und organisatorischen Grundlage – wie sie auf den unteren Schichten des Netzwerk-Protokollstapels ebenso prächtig funktioniert wie bei den altehrwürdigen Protokollen aus der Gründerzeit des Internet – allen voran rfc822 und SMTP für Email?
Niemand würde heutzutage mehr auf die Idee kommen, ein Telefon bei nur einem einzigen Anbieter kaufen zu dürfen und einen Anschluss nur bei einem einzigen Anbieter erhalten zu können – aber im Land der RASF war dies früher Realität: von der POST mit Hörnchen gab es das Teilnehmerendgerät und den Telefonanschluss, sonst offiziell von fast niemandem. Und wehe, man klemmte ein Fernost-Gerät mit einstellbarem Singweisengriffer an, das war nicht etwa eine Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat.
Wir Menschen haben die Macht, Dinge zu ändern. Wir können dank demokratischer Prozesse gemeinsame Regeln für Alle aufstellen, um Freiheit und Gleichheit zu erreichen, oder uns die Macht unseres eigenen Verhaltens bewusst machen und nur solche Werkzeuge nutzen, bei denen wir die Kontrolle behalten, die Freiheit wahren, die Offenheit fördern.
Ich bin N|L5 und ich unterstütze die RASF.
Copyright 2017 N|L5 – Lasse Nils Svensson – Veröffentlicht unter CC-by-SA 4.0 Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de – Nutzung nach diesen Lizenzbedingungen unter Nennung des Autorennamens N|L5 und der Hyperlinks http://rasf.eu/ und http://n-l5.eu/